LVZ: „Ikone des Rettungswesens“ in Delitzsch: Andreas Schulze sagt Tschüss
Nach 50 Jahren beim DRK geht der Leiter der Delitzscher Rettungswache in den Ruhestand. In seiner Zeit hat er das Rettungswesen im Landkreis entscheidend mitentwickelt.

Beitrag von Heike Liesaus
„Eine Ikone verlässt die Bühne des Rettungswesens“ – mit dieser Überschrift informierte der DRK Kreisverband Delitzsch, dass Andreas Schulze nach 39 Jahren hauptamtlicher Rettung in Rente geht. Die Delitzscher Rettungswache, zu der auch die in Bad Düben und Zwochau gehören, leitete er seit mehr als 30 Jahren.
Wie erlangt man den Ruf einer Ikone? Andreas Schulze hat zum Beispiel die Strukturen für das Szenario des sogenannten Massenanfalls von Verletzten (MANV) im Landkreis Nordsachsen mitentwickelt. Die Checklisten, die er erarbeitete, sind nun Standard bei Großschadensereignissen und Katastrophen-, Amok-, Terror- oder lebensbedrohlichen Einsatzlagen.
Beim Blitzeinschlag mit 51 Verletzten waren Pläne Gold wert
Der Fall der Fälle soll nie eintreten. Doch die Pläne halfen zum Beispiel beim Metalfestival „With Full Force“, das in Roitzschjora stattfand. Das DRK Delitzsch sicherte das Festival sanitätsdienstlich ab. Schulze hatte mit dafür gesorgt, dass diese Absicherung grundsätzlich einem solchen MANV-Szenario ähnelte.
Dann kam der Ernstfall, der Blitzeinschlag auf dem Festivalgelände. 51 Verletzte. „Der damals geübte tägliche Ablauf führte dazu, dass dieser Einsatz ohne Panik geregelt ablief. Für mich heute noch ein Beispiel, was gute Planung und Übung bewirken kann“, so Dr. Ellen Mack. Sie ist Vizepräsidentin des DRK Kreisverbands Delitzsch, und eine von Schulzes langjährigen Begleitern auf dem Berufsweg. Sie hielt vor einigen Wochen eine Laudatio für Schulze auf der Auszeichnungsveranstaltung für Rettungskräfte des Landkreises.
In einer Rettungswache ist der Notfall, ist die Rettung von Menschenleben Alltag. Wenn die Teams ausrücken, geschieht das mit wenig Aufsehen. Jede und jeder weiß, was zu tun ist. Von Dramatik, die sich am Einsatzort abspielen mag, ist da wenig zu spüren. Als Leiter habe er dafür zu sorgen, dass alles so gut läuft, beschreibt Andreas Schulze seine Stelle. Dazu gehören auch die Koordination der Zusammenarbeit mit dem Landkreis, wirtschaftliche Rahmenbedingungen, Überwachung der Verbräuche von Treibstoff oder Hygiene- und Medizinprodukten. Auch eine Rettungswache muss wirtschaftlich funktionieren. „Wir sind den Krankenkassen, dem Landkreis, der Bevölkerung gegenüber verantwortlich.“
Andreas Schulze ist trotz seiner Leitertätigkeit bis zum Bandscheibenvorfall im vorigen Jahr jeden Tag im Rettungswagen mitgefahren. Das macht er nun nur noch ab und an. Denn Tragen, das oft nötig ist, geht nicht mehr. Ohne die heftigen Rückenschmerzen hätte er wohl noch etwas länger ausgehalten, sagt der 64-Jährige. Er strahlt dennoch Zufriedenheit aus. „Ich bin auch nicht ganz aus dem Rettungsdienst raus“, stellt er fest. Er wird weiter beraten, in der Ausbildung tätig sein.
Er kam schon als 14-Jähriger 1972 zum DRK. In der Armeezeit machte er die Ausbildung zum Feldscher, einem Militärarzt. Dann heuerte er als Krankentransporteur in Delitzsch an. Mit den Umstrukturierungen in der Wendezeit wurde er von seinen Kollegen und Kolleginnen zum Leiter Rettungsdienst gewählt. 20 Retter waren es damals in der Eilenburger Straße.
Viele Weiterbildungen lagen auf seinem Berufsweg und er sagt: „Rettungswesen und Weiterbildung müssen Hand in Hand gehen.“ Zur Delitzscher Rettungswache gehören jetzt knapp 80 Mitarbeiter, der gerade erweiterte Hauptstandort in der Ludwig- Jahn-Straße, in Zwochau und Bad Düben. Ab Januar wird die Rettungswache nun vom bisherigen Vize Thomas Meißner geleitet.
Andreas Schulze sagt rückblickend: „Es ist ein Traumberuf.“ Er sei einer der glücklichen Menschen, „bei denen das Hobby auch der Beruf ist“. Aber es sei wichtig, dass die Familie dahinter steht. In seinem Fall die Ehefrau und drei erwachsene Kinder. Es helfe zu wissen: „Schlimme Dinge geschehen. Man muss in den Spiegel sehen und sich sagen können: Du hast alles getan, was möglich war. Und neben dem Schlimmen gibt es so viel Gutes, was passiert. Das ist einfach unbezahlbar.“
Text: Heike Liesaus, Leipziger Volkszeitung, Regionalteil Delitzsch-Eilenburg, vom 16.12.2022